Die Kraft der Gemeinschaft

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Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

In den letzten Wochen haben wir gesehen, wie sehr sich die Hettstädter als Gemeinschaft für ein wichtiges Thema stark machen können. Wir möchten Euch von ganzem Herzen danken! - für die tatkräftige Unterstützung und auch für die zahlreichen Unterschriften, die für den Erhalt der Spielplätze An den Bergtannen und Kalter Rain geleistet wurden. Das zeigt wie viele Menschen ein Interesse am Erhalt der beiden grünen Oasen haben. Dank Eurer Stimme wird in den nächsten Wochen ein Bürgerentscheid über die weitere Zukunft der Spielplätze durchgeführt.

Schon nach fünf Tagen waren weit mehr als die für den Bürgerentscheid notwendige Unterschriftenzahl geleistet. Viele Bürger suchten den Kontakt und haben sich bedankt, dass sich jemand dieses wichtigen Themas annimmt.

Ein schnelles Einreichen der Unterschriften schien uns wichtig, weil auch seitens der Gemeinde Anwohner mit kurzen Fristen zu schnellen Entscheidungen bewegt werden sollten. Daher wollen wir uns noch bei denen entschuldigen, die aufgrund der kurzen Sammeldauer keine Gelegenheit hatten, zu unterschreiben oder gar uns bei der Sammlung der Unterschriften zu unterstützen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Initiatoren des Bürgerbegehrens und unsere Intention kurz vorzustellen:

Mein Name ist Michael Bauer, ich bin Vater von zwei Kindern (Sophie (7) und Louis (5)) und wohne seit 2015 in Hettstadt. Ich bin Schriftführer im Förderverein des Kinderhaus Blumenwiese, lotse morgens gerne die Schulkinder als Schulweghelfer über die Straße und versuche als Mitglied im Tennisverein gelegentlich mal einen Ball zu treffen. Im Musikverein unterstütze ich gerne als Zuhörer und lausche Sophie beim Flöte spielen.

Sibylle Bauer ist meine Frau und engagiert sich als zweite Elternsprecherin in der Klasse unserer Tochter. Wenn Sie mal etwas Zeit hat spielt sie gern mit mir Tennis. Sie wohnt mit einer Unterbrechung schon im 8. Jahr in Hettstadt - ich hatte sie mal für 5 Jahre nach München entführt, bevor wir gemerkt haben, dass Hettstadt viel schöner ist 😉

Daniel Haberkorn und Nicole Fiedler sind Eltern von Levin (7) und Merle (4). Sie wohnen seit 9 Jahren in Hettstadt und fühlen sich seit vier Jahren im eigenen Haus mit Garten im Gäßlein zuhause.

Rund um unsere kleine Keimzelle haben sich noch viele tolle freiwillige Unterstützer gesammelt, die sich engagieren wollen, um die Spielplätze zu erhalten. Einige der Helfer sind Anwohner, die seit vielen Jahren in der Nachbarschaft der Spielplätze Kalter Rain und An den Bergtannen wohnen. Aber viele Unterstützer kommen auch aus ganz anderen Teilen des Ortes. Die Mehrzahl sind Eltern mit Kindern. Aber große Resonanz kam auch von alteingesessenen Hettstädtern, die die Spielplätze für schützenswert halten.

Warum sind die Spielplätze wichtig?

Die Spielplätze sind an ihren jeweiligen Stellen im Ort kleine grüne Oasen. Erholungsräume, die eine nahe Möglichkeit für die Kinder und Enkel der Nachbarschaft und des ganzen Ortes bieten, zu spielen, forschen, entdecken und toben. Die Spielplätze steigern die Lebensqualität des Dorfes. Auch der St. Sixtus Kindergarten kommt gerne an den Bergtannen vorbei. Selbst das Kinderhaus Blumenwiese war schon zu Besuch am Kalten Rain. Der Baumbestand und Bewuchs ist schützenswert und dient als Lebensraum für Tiere. Er bietet natürlichen Schatten für Kinder, der durch den Klimawandel zunehmend an Bedeutung gewinnt. Genau durch diese Naturbelassenheit bieten sie viel Anreiz für Abenteuer, Phantasie und kindgerechte Entwicklung. Gerade hier wird kreatives und freies Spiel mit der Natur gefördert.
So sieht das auch Herrmann Gottschlich, er hat die Spielplätze in seinem Leserbrief an die Mainpost vom 04.12.20 als die “ökologisch wertvolle, grüne Lunge des Ortes” bezeichnet. Ein schöner Vergleich. Die Spielplätze bedeuten auch eine Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn Covid-19 eines Tages hoffentlich bei den Kindern in Vergessenheit gerät, ist ein nahegelegener Spielplatz eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Kindern.

Petra Beckmann, Diplom-Psychologin, aus Hettstadt sagt: “Je vielfältiger und naturnaher ein Spielplatz angelegt ist, desto ausgeprägter sind sowohl die Anregung der kindlichen Phantasie, die Bewegungsfreiheit wie auch die Erfahrungen, die die Kinder dort sammeln können. Dabei sind Rückzugsgebiete mit kleinen Raumbildungen und Verstecken besonders förderlich und erhöhen auch die Attraktivität für alle Altersgruppen. Es ist die Vielfalt der verschiedenen Spielplätze, dadurch bedingt auch ein großes Ausmaß an schöpferischen Gestaltungsmöglichkeiten, die sich positiv auf die Entfaltung der kindlichen Selbstbestimmung und Selbstständigkeit auswirken.”

Vor diesem Hintergrund bietet der Spielplatz im Neubaugebiet nicht ausreichend Platz für all die Kinder in der Umgebung. Auch die anderen Spielplätze werden rege bespielt, was wir als Anwohner täglich beobachten können. Im Sommer sind die Spielplätze übrigens voller als im Herbst bei Matsch und Schneeregen, wie es momentan häufig der Fall ist. Bei Schnee werden sie mit großer Begeisterung als Schlittenhügel benutzt. Die Kinder lieben die Abwechslung, verschiedene Spielplätze nutzen zu können und gerade in Zeiten mit Abstandsregelungen zeigt sich, wie wichtig Alternativen sind.

Wir sehen diese Spielplätze übrigens nicht in Konkurrenz zum Ausbau der Dorfmitte. Die Erhaltungskosten sind, wie von der Gemeinde dargelegt, marginal und wir würden diese gerne durch eigene Leistung zusätzlich senken. Dazu später mehr. Hinsichtlich der Erreichbarkeit von Spielflächen existiert in Deutschland die DIN-Norm 18034. Sie legt fest: “Spielplätze und Freiräume zum Spielen für Kinder bis 6 Jahre müssen sich in einer Entfernung bis 200 m Fußweg befinden oder in einem Zeitraum bis 6 min zu erreichen sein.” DIN 18034 Abs. 4.2.1 Die DIN ist in Bayern - im Gegensatz zu anderen Bundesländern - zwar nicht gesetzesgleich, soll aber dennoch befolgt werden. In Hettstadt wäre sie mit dem Wegfall der Spielplätze nicht mehr erfüllt.

Wie kam es überhaupt zum Bürgerbegehren?

Wie ihr wisst, ist es in Hettstadt nicht ganz leicht, ein Grundstück oder Haus zu ergattern. Viele Grundstücke, auf denen Häuser gebaut werden könnten, sind unbebaut und warten darauf, dass Kinder oder Enkel sie eines Tages zum Leben erwecken. Und so hat der Gemeinderat aufgrund der vielen Nachfragen im Oktober beschlossen, aus zwei Spielplätzen Bauland zu machen. Die Logik dahinter scheint naheliegend zu sein: Ältere Baugebiete, in denen die Kinder längst erwachsen sind, brauchen keine Spielplätze mehr. Mit 3-4 Bauplätzen hätte man einzelnen Familien, die nach Hettstadt ziehen wollen oder im Ort einen Bauplatz suchen, doch schon geholfen. In der Sitzung des Gemeinderats im November war auch des Öfteren die Rede von einem Mehrgenerationenhaus mit Eigentumswohnungen. Dies widerspricht in unseren Augen allerdings dem Wunsch, jungen Familien einen Baugrund zu verschaffen.

Was bei der Entscheidung allerdings wenig mit eingeflossen zu sein scheint: Auch in alten Baugebieten finden Generationswechsel statt. Zum Beispiel An den Bergtannen: einige alte Familien sind weggezogen und viele neue Kinder sind nachgerückt. Zwei Bauplätze im Gäßlein werden bebaut (ein Haus steht schon, eines wird im nächsten Jahr gebaut) und das berühmt-berüchtigte Gäßleinfest ist inzwischen eine wahre Kinderparty. Auch am Kalten Rain haben sich in den vergangenen acht Jahren viele junge Familien angesiedelt: etwa 25 Kinder unter 10 Jahren wohnen inzwischen in direkt angrenzender Nachbarschaft. Tendenz? Steigend!

Kann ein JUZ Spielplatz für alle Generationen funktionieren?

Wir stellen uns die Frage, warum die beiden Spielplätze und der Ausbau des JUZ zum Mehrgenerationenspielplatz in Konkurrenz stehen sollen. An den Unterhaltskosten kann es nicht liegen. Aber der JUZ Spielplatz ist nicht nur wegen seiner Ausstattung eine ungünstige Alternative, auch die Erreichbarkeit ist für viele kleinere Kinder nicht gegeben. Schon heute ist der Lärmpegel dort bisweilen hoch. Dieser Ort gehört seit jeher den Jugendlichen, die sich dort treffen, Sport machen und Musik hören, die für Kinderohren mitunter nicht unbedingt tauglich ist. Und das ist in unseren Augen auch richtig so. Denn auch für die Jugendlichen braucht es einen echten Treffpunkt, an dem sie ungestört von den restlichen Generationen des Ortes ihren Interessen nachgehen dürfen.

Warum denn gleich ein Bürgerbegehren ?

Im Oktober bin ich zu unserer Bürgermeisterin Andrea Rothenbucher gegangen, um unsere Hilfe anzubieten: es war offensichtlich, dass die Gemeinde bei der Pflege und Instandhaltung der Spielplätze Unterstützung brauchen kann. Die Spielplätze An den Bergtannen und Kalter Rain verwahrlosen zunehmend, vor Allem aufgrund mangelndem Rückschnitts, Unkraut in den Sandkästen und längst überfälligem Sandwechsel.

Andrea sagte mir “Du kommst genau zum richtigen Zeitpunkt!”. Und so war es dann auch. Leider war die nächste Nachricht etwas anders als erwartet: Schon in der Sitzung wenige Tage später beschloss der Gemeinderat, die zwei Spielplätze in Bauland umwandeln zu lassen. Hierzu ist zunächst eine Prüfung vorgeschrieben und dann wäre es in die Änderung der Bebauungspläne gegangen. Bei einem vereinfachten Verfahren nach 13 und 13a BauGB ist die Einspruchmöglichkeit der Bürger eher theoretisch. Man kann seine Bedenken vorbringen und diese werden dann durch den Gemeinderat besprochen. Eine Prüfung dieser Beschlüsse z.B. durch das Landratsamt erfolgt nicht. Ansonsten hätte man nach Abschluss des Bebauungsplanverfahrens nur noch juristisch dagegen vorgehen können mit einer Normenkontrolle beim Verwaltungsgericht München. Wir hätten also mit dem Anwalt kommen müssen. Aber genau das wollen wir nicht.

Darin liegt auch der Grund, warum wir so schnell ein Bürgerbegehren gestartet haben. Unser Ansinnen ist eine (ergebnis-)offene Diskussion im Ort und eine sinnvolle und nachhaltige Lösung für den Ort und seine Bürger.

Als Anwohner wurden einige der Unterstützer des Bürgerbegehrens gefragt, ob sie einen Teil der Spielplätze kaufen wollen, um ihre Grundstücke zu vergrößern. Dies hat viele der Anwohner, die vor 20 Jahren dort gebaut hatten, überrascht und erschreckt und so haben wir begonnen, uns auszutauschen. Warum die Spielplätze als unbedingt notwendiges Bauland deklariert werden und dann Teile der Fläche an Anwohner verkauft werden sollen, ist uns nicht klar. Aber nachvollziehbar ist, dass jeder der Anwohner die Chance nutzen wird, einen Teil des Grundstücks zu kaufen, wenn es sonst unwiederbringlich als Grünfläche verloren wäre.

Was wollen wir stattdessen?

Wir haben folgende Vorschläge:

  1. Die beiden Spielplätze werden zu Naturerlebnisspielplätzen für jung und alt erklärt. Hier kann unseren Kindern die Natur nahegebracht werden und das Engagement der Eltern, Großeltern wie auch Kinder ist explizit erwünscht.
  2. Wir ergänzen die beiden Spielplätze um den Hinweis “dieser Spielplatz darf gepflegt werden”.
  3. Die Gemeinde stellt einen Komposthaufen / bzw. ein Gefäß zur Entsorgung von Grünschnitt auf, das regelmäßig geleert wird.
  4. 2x jährlich wird für beide Spielplätze eine Rückschnitt- und Pflegeaktion mit Freiwilligen organisiert. Unter Anleitung von Fachpersonal wird der Rückschnitt organisiert und das Grüngut von der Gemeinde entsorgt.
  5. Hierzu bieten wir der Gemeinde den Dialog an, wie dieses Engagement am besten kanalisiert werden kann.
  6. Wir können uns auch die Gründung eines Fördervereins für die Hettstädter Spielplätze vorstellen.

Was ist der Gemeinde wichtig?

Immer wieder wird seitens der Gemeinde darüber gesprochen, Bauplätze für junge Familien im Ort zu schaffen. Diese Intention ist äußerst lobenswert!

Wie in der Gemeinderatssitzung geäußert, sind ca. 70 Baugrundstücke unbebaut im Ort verteilt. Im Neubaugebiet wurden unseres Wissens nach um die 50 Bauplätze geschaffen. Nun sollen wegen 3-4 weiteren Bauplätzen zwei eingewachsene, naturnahe Spielflächen verschwinden. Es stellt sich aber auch die Frage, ob diese 3-4 neue Baugrundstücke den angegebenen Bedarf stillen würden. Stattdessen werden durch Generationenwechsel in den nächsten Jahren ohnehin immer wieder Eigentümerwechsel in diesem Umfang stattfinden.

Sucht man hingegen nach einer echten Erweiterung, muss man wohl deutliche weiter schauen, als auf die Spielplätze und gemeindeeigenen Spielflächen. Es braucht eine auf Nachhaltigkeit angelegte Gemeindeplanung, bei der berücksichtigt wird, dass auch die neu zuziehenden Familien ein Anrecht auf einen Spielplatz haben. Was einmal zum Bauland umgewandelt wurde ist für immer weg.

Hettstadt - Ort der Helfer

Als ich ein paar Tage nach dem Beschluss wieder bei Andrea saß, sagte sie mir, man habe auch das Angebot von uns Anwohnern, bei der Pflege zu unterstützen, wohlwollend zur Kenntnis genommen, aber solche Unterstützung sei leider oft nicht nachhaltig.

Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Der Spielplatz an den Bergtannen und am kalten Rain wurde seinerzeit von den Anwohnern in tagelanger Arbeit komplett selbst angelegt. Die Nachbarn haben gebaggert, gegraben, gebaut und gepflanzt, was das Zeug hielt. Heute sind die Spielplätze wunderbar eingewachsen, bieten viel natürlichen Schatten und Bäume zum Klettern, Kastanien und Nüsse sammeln.

Und wenn man es sich recht überlegt, sind diese Spielplätze kein außergewöhnlicher Ausreißer, sondern die freiwillige Mitarbeit ist das Rückgrat des Hettstädter Lebens: Von der Feuerwehr und dem Musikverein bis zum Bund Naturschutz.

Wenn ich es mir recht überlege, basiert so vieles, was Hettstadt zu dem lebenswerten Ort macht, auf freiwilliger Mithilfe. Unterstützt wird das durch ein stabiles Gerüst aus einer aktiven Gemeindeverwaltung mit vielen guten Ideen und großer Flexibilität bei der Unterstützung dieser Freiwilligkeit.

Sollte es also bei Rückschnitt und Unkraut jäten auf zwei Spielplätzen scheitern? Wir werden das Gegenteil beweisen, wenn man uns lässt.

Viel Aufwand bei der Pflege?

Mit den Hinweisen auf die schon bestehenden Spiel- und Grünflächen und den Aufwand bei der Pflege der beiden Spielplätze haben wir uns auseinandergesetzt. Die Gemeinde hat viele Verpflichtungen, hier tun die Gemeindearbeiter ihr Bestes, aber gerade im Frühjahr und im Herbst stoßen alle an ihre Grenzen. Zu viel gibt es gleichzeitig zu tun.

Um ein besseres Bild vom Aufwand zu bekommen, haben wir uns mit einem Landschaftsgärtner unterhalten. Den Pflegeaufwand für beide Spielplätzen schätzt er pro Spielplatz für 3 Profis (oder 7-8 Freiwillige unter Anleitung) auf jeweils 4-5 Stunden im Frühjahr und im Herbst für den Rückschnitt. Zusätzlich muss im Sommer ca. alle drei Wochen Rasen gemäht werden. Dies sollte in 3 Stunden machbar sein. Kein besonders großer Aufwand, wenn davon der Erhalt der Spielplätze abhängen soll, oder?

Zum Abschied bei unserem Gespräch vor der Gemeinderatssitzung habe ich Andrea gefragt “kann es eigentlich sein, dass es Dir am liebsten wäre, wenn die Spielplätze verschwinden?” “Das kann man so nicht sagen” hat sie mir geantwortet.

Insofern habe ich große Hoffnung, dass wir mit der Kraft der Gemeinschaft etwas Wunderbares erhalten können.

Für das Bürgebegehren
Michael Bauer, Sibylle Bauer, Daniel Haberkorn, Nicole Fiedler